Haushaltsrede 2019: „Salzkotten muss Klimaaktionsstadt werden!“

Auch in diesem Jahr konnten wir dem Entwurf für den Haushalt des nächsten Jahres nicht zustimmen. Unser Fraktionsvorsitzender Wolfgang Dehlinger hat in diesem Jahr -leider- seine letzte Haushaltsrede für die Salzkottener Grünen gehalten (zu den Veränderungen in der Fraktion später mehr).

Hier seine Rede zum Haushalt 2019:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, sehr geehrte Ratsmitglieder, sehr geehrte Gäste und Vertreter der Presse,

was war im zurückliegenden Jahr besonders wichtig – und was wird im kommenden Jahr wichtig sein? So wichtig für Salzkotten, für unsere Bürgerinnen und Bürger, dass wir es hier in den Haushaltsreden der Fraktionen betrachten. Dass wir es hervor heben. Und damit deutlich machen, was uns in unserem politischen Handeln leitet?

Unsere Bautätigkeiten? Unser Reichtum durch die  hervorragende Finanzlage? Die Digitalisierung der Kommune? Das Wachstum unserer Stadt?

Jede und jeder von uns formuliert es anders, setzt andere Schwerpunkte – und ich finde gut, dass wir uns einmal im Jahr Zeit nehmen, zumindest 5 Sichtweisen in unserer Runde zu hören. Schlaglichter im Dezember 2018.

Es gibt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die sagen, dass der Sommer 2018 in die Geschichte eingehen wird. Er wird – vielleicht jetzt, vielleicht aber auch erst im Nachhinein – als der Sommer gelten, in dem wir Menschen in Deutschland spürten, dass wir nicht mehr über den Klimawandel nur reden. Sondern dass wir mitten in ihm leben.

Monatliche Temperaturrekorde und ausbleibender Regen fühten zu einer Dürre, wir wir alle sie noch nicht erlebt haben. Selbst der Jahrhundertsommer von 2003 wurde übertroffen – dabei liegt dieser „Jahrhundertsommer“ erst 15 Jahre zurück.

Bisher war es möglich, dass wir den Klimawandel aus der Ferne betrachten: Die Hurricansaison in Amerika, die untergehende Welt in Bangaldesch, die Dürre in Ostafrika und Californien. In diesem Sommer erlebten wir ihn live.

Was soll dieses globale Thema in der Haushaltsrede zu unserer Kommunalpolitik? Das ist doch nicht unsere Baustelle!

Doch. Ja, das Schwimmbad konnte einen Rekordbesuch vermelden. Aber viel wichtiger ist: Bei unseren Bäuerinnen und Bauern ging z.B. die Saat für das Grünfutter nicht auf, ein zweiter Schnitt blieb aus und auf vielen Höfen mussten viele Tierre geschlachtet werden, weil es nicht genug Futter für den Winter gibt. In Delbrück wurde im vergangenen Sommer das Wasser knapp. Die Alme blieb leer. Viele Bäume, die wir in  der Stadt gepflanzt hatten, verdorrten, auch alte Bäume starben. In Upsprunge hörten die Quellen – die sonst mit Macht unter den alten Hofstellen hervorsprudeln – sie hörten auf zu sprudeln. Manche fielen ganz trocken.

Und wer die Augen nicht verschließt, hofft auf jeden Tropfen Regen, der jetzt im Winter hilft, die Reservoirs wieder zu füllen. Nicht auszudenken ist, was passiert, wenn auch der nächste Sommer wieder so trocken und heiß wird.

Aber wir tun doch was! Wir nützen Photovoltaik. Wir setzen bei Neubauten auf Energiespartechnik. Wir machen zu den Stadtfesten ein attraktives Busangebot. Wir haben jetzt die Anschaffung zweier e-Mobile im Haushalt.

Ja, wir tun alles was wir tun können, solange wir die Richtung, in die wir zu gehen gewohnt sind, nicht ändern müssen. Solange es nicht weh tut. Solange es nicht anstrengend wird und auch keinen  Mut erfordert. Und auch ich mache es in fast allen Fällen nicht anders.

Der zurückliegende Sommer hat mich aufgeschreckt.

Wir hier im Rat haben Hebel in der Hand: in der Verkehrspolitik. Bei der energetischen Sanierung im Wohnbestand. Bei der Suche nach klugen  Energie-Lösungen bei allen Neubauten – egal ob privat oder städtisch. Bei der Energieerzeugung im Rahmern unserer Stadtwerke. Bei der Entscheidung, ob wir die Pächter unserer landwirtrschaftlichen Flächen belohnen, wenn sie Humusaufbau zur Speicherung von CO2 betreiben. Bei der Frage, ob wir die Mittel für öffentliches Grün und Landschaftspflege auch mit dem Ziel des Klimaschutzes ausschöpfen, oder ob wir – wie in den vergangenen Jahren – zwischen 20tsd und 80.000 Euro ungenützt lassen. Bei der Frage, ob wir einen Klimaschutzpreis in Salzkotten ausloben. Wir haben hier im Rat so viele Hebel in der Hand: Aber hat hier im Rat jemand den Eindruck, dass wir in den letzten Jahren wirklich alle diese Hebel gezogen haben? Dass wir mit aller Kraft den Klimaschutz umsetzen? 

Nein wir tun es nicht.

Ich könnte jetzt darüber lamentieren, welche Vorschläge  von uns Grünen zum Klimaschutz in den letzten 10 Jahren abgelehnt wurden. Oder zur Unkenntlichkeit reduziert. Oder erst Jahre später umgesetzt wurden. Das hilft nicht weiter.

Ich hoffe einfach, dass wir im Rat nach diesem Dürresommer 2018 anfangen, alle Hebel in Bewegung zu setzen.

Sie sagen vielleicht, die Grünen wollen wieder alles auf einmal und sofort – ohne Rücksicht auf die Realität. Sie denken vielleicht: Gut, das ist die Rolle der Grünen auf dem politischen Spielfeld. Sie haben vielleicht das Gefühl, dass wir ja anfangen und es in die richtige Richtung geht. Irgendwie.

Aber wir sind nicht am Anfang: Es ist jetzt 11 Jahre her, dass der Weltklimarat eindeutig benannt hat, was passiert und was unsere Aufgabe ist. Aber schon 17 Jahre zuvor, im Jahr 1990 schrieb der IPCC seinen ersten Sachstandsbericht zum Klimawandel. Was haben wir in den 30 Jahren getan?

Was ich tatsächlich bis vor wenigen Tagen nicht wusste: Schon 1896 rechnete der schwedische Nobelpreisträger Svante Arrhenius erstmals aus, dass eine Verdoppelung des Kohlendioxid-(CO2-)Gehalts der Atmosphäre zu einer Temperaturerhöhung um vier bis sechs Grad Celsius führen würde. 

Wir sind nicht am Anfang. Wir sind hinterher. Inzwischen ist Deutschland – und wir gehören zu den größten Klimasündern der Welt – auf den Platz 27 bei den Bemühungen, den Klimawandel abzumildern, zurückgefallen.

Wir hatten in 2014 3900 Straßenlampen. 620 von ihnen haben wir bis 2017 auf LED umgestellt, 80 haben wir neu gebaut. Aber wir haben keine Einsparung am Stromverbrauch geschafft. Die Straßenbeleuchtung verbraucht 80.000 Kwh mehr Strom als damals – natürlich auch weil wir die Nachtabschaltung rückgängig gemacht haben. Erst im kommenden Jahr soll der Stromverbrauch bei der Straßenbeleuchtung erstmals rückläufig sein – wenn wir in dem Tempo weitermachen, werden wir im Jahr 2034 wieder beim Verbrauch von 2014 ankommen. Das ist zu spät.

Es gibt heute schon Orte, die ihren gesamten Energieverbrauch regenerativ erzeugen. Auch in Deutschland. Alle Fraktionen im Rat der Stadt Tübingen haben beschlossen, dass jeder Neubau mit einer Photovoltaikanlage versehen werden muss. Hat der Bauherr selbst kein Interesse, bauen die Stadtwerke die Anlage und verkaufen den Strom an die Nutzer.

In Wien wurde in den letzten Jahren die Infrastruktur für Autos zurückgebaut und der ÖPNV und das Fahrrad gefördert. Für einen Euro am Tag kann man alle Busse und Bahnen nützen. Beim weltweiten Beliebtheits-ranking wählten die Bewohnerinnen und Bewohner Wiens ihre Stadt auf Platz 1.

Wir werden im nächsten Jahr überlegen, ob wir eine B1 neu wirklich wollen: Der Eingriff in Landschaft und Natur wird sehr groß sein. Profitieren soll in den Augen des Bundes der Auto- und LKW-Verkehr, der schnell um Salzkotten herum fahren möchte. Der Lärm wird verlagert und wahrscheinlich mehr. Die CO2-Bilanz wird nicht gut sein.

Meine Damen und Herren: Die Dürre und die Hitze in diesem Jahr hat mich erschreckt. Hat mich aufgeschreckt. Obwohl er nur das darstellt, was wir seit Jahren von unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hören. Ich denke, dass es in diesen Jahren unsere wichtigste Aufgabe ist, eine Begrenzung des Klimawandels zu erreichen, in dem wir alle Hebel in Bewegung setzen. Es gibt nur ein weitere Aufgabe, die mir ebenso wichtig erscheint: Die Suche nach einem friedlichen Miteinander in unserer Welt.

Natürlich gibt es trotzdem noch alle anderen Themen unserer Stadtpolitik. Zwei davon möchte ich noch ansprechen:

Sozialpolitik.

Schulsozialarbeit gehört heute zu Schule hinzu. Nicht als Notnagel für gescheiterte Schülerinnen und Schüler. Sondern als integraler Bestandteil gelingender Schule.  Dass die CDU sich dieser Erkenntnis weiterhin verweigert erlebe ich als ein Armutszeugnis für uns als aufstrebendes Mittelzentrum.

Die Arbeit mit den Menschen, die nach ihrer Flucht bei uns gelandet sind, wankt. Ehrenamtliche benennen Missstände, in manchen Unterkünften braucht es deutlich mehr Begleitung. Uns Grünen war von Anfang an wichtig, sowohl die Geflüchteten als auch die Ehrenamtlichen mit guter, professioneller Hilfe zu begleiten. Was wir hier in diesem Sinne nicht umgesetzt haben, weil die Mehrheit im Rat dies abgelehnt hat, fällt uns jetzt immer wieder auf die Füße. Das wir hier 2 leerstehende Häuser für Geflüchtete haben, während Flüchtlinge in großer Not auf hoher See oder in miserablen Situationen in südlichen Ländern auf ihre Rettung hoffen, tut mir oft in der Seele weh.

Der Wohnungsbau für Menschen mit wenig Geld ist noch immer ein Stiefkind der Mehrheitsfraktion. Während eine Investorengemeinschaft am Haselnussweg knapp 40 Mietwohnungen auf den Weg bringen wird und wir für sie – ohne die Anwohner zu versammeln und zu den Plänen zu befragen – die rechtlichen Voraussetzungen mit großer Einigkeit schaffen, gehen wir am Kuhbusch ganz anderes vor: Wir  beteiligen – zum Glück – die Anwohner, stellen ihnen aber einen einseitigen und wahrlich unschönen Plan vor. Dann ändern wir den vorhandenen Bebauungsplan so, dass eine sinnvolle Wohnbebauung auf der Fläche unmöglich wird. Wir – das stimmt nicht ganz: es war allein die CDU, die sich auf diese Weise gegen die Opposition durchgesetzt hat.

Salzkotten muss dem Sozialen ein größeres Gewicht geben!

Zuletzt unsere Investitionen .

Die Carixanlage läuft,  das Stadthaus wächst, die Oberstufe der Gesamtschule ist – wenn auch nicht in der Gestalt, wie wir sie gewünscht hatten – bezogen.  Wenn wir beim Klimaschutz so engegiert wären wie beim Bauen…

Als nächstes kommt die Sanierung und der Neubau des Rathauses: Wir finden das gut. Für uns ist der nächste Schritt, dass wir die Einzelheiten genau betrachten und beraten. Wo wollen und können wir die genehmigten Pläne noch ausfeilen und gestalten. Finden wir noch eine pfiffige Idee, ein Kunstwerk zum Beispiel, das dem Bau ein Profil gibt. Lässt sich das Dach oder die Fassade zumindest teilweise begrünen?

Und wie gelingt es uns, die Bürgerinnen und Bürger bei den Planungen mitzunehmen – durch einen guten Pavillon, der bei allen größeren Festen aufgestellt zum Betrachten und Diskutieren der Pläne einlädt? Durch einen virtuellen Rundgang durch das neue Haus, den man auf unserer Homepage findet?

Es soll das Rathaus der Bürgerinnen und Bürger werden, das Herz im Quartier. Das wird nur entstehen, wenn wir jetzt in der letzten Planungsphase engagiert in die Öffentlichkeit gehen.

Neben vielen Bauinvestitionen wollen wir in Salzkotten im nächsten Jahr auch Geld für unsere Fußballer ausgeben. Und für die Fußballerinnen – die aber deutlich weniger sind. Wir wollen einen Kunstrasenplatz bauen. Und noch einen Kunstrasenplatz. Und dann noch einen Rasenplatz. Die Summe für alle drei Plätze wurde zwar mit Sperrvermerken versehen, aber sie musste scheinbar unbedingt in den Haushalt rein. Insgesamt sind das 650.000 Euro.

Gleichzeitig hat der Rechnungsprüfer uns als Rat zum wiederholten Mal darauf hingewiesen, dass es nach seinen Berechnungen in Salzkotten 4 Fußballplätze zu viel gibt.

Wir Grünen finden Fußball und was unsere Vereine vor allem Jungs aller Altersstufen bieten klasse. Gerade die jugendlichen Jungs brauchen neben der Schule Felder, wo sie ihre Kraft spüren. Deshalb haben wir in den letzten Jahren mit dafür gesorgt, dass der Fußballsport gut ausgestattet ist.

Dass jetzt ein Kunstrasenplatz dran ist, können wir gut nachvollziehen. Die von der Verwaltung und der Mehrheit favourisierte Variante, dass wir jetzt 2 Kunstrasenplätze und einen Rasenplatz bauen wollen, halten wir jedoch für falsch.

Nicht alle Bürgerinnen und Bürger sind begeisterte Fußballspieler: Ist es berechtigt, in einem Jahr so viel Geld für diese eine Zielgruppe auszugeben? Sollten wir nicht  wenigstens alle Sportarten in den Blick nehmen: Seit Jahren fehlt eine Schulschwimmhalle! Sollten wir nicht den Rat der Rechnungsprüfer ernst nehmen und erst ein Sportstättenentwicklungskonzept erstellen und dann anfangen zu bauen?

Ein Kompromiss könnte ja sein, dass wir das Stadion in diesem Jahr zu einem Kunstrasenfeld für alle Vereine

umbauen und dann mit den dortigen Erfahrungen und den  Ergebnissen eines Sportstättenentwicklungs-konzeptes die nächsten Schritte planen. Leider wurden unsere Vorschläge hierzu abgelehnt.

Dass alle Baumaßnahmen auf einmal sein sollen, lässt uns skeptisch sein: In den vergangenen Jahren haben wir immer Investitionen in den Haushaltsberatungen beschlossen, die dann nicht umgesetzt wurden. Mal waren es 2,5 Millionen, die wir beschlossen hatten, die dann aber nicht umgesetzt wurden. Oft waren es 3 Millionen. Im Jahr 2015 waren es sogar über 4 Millionen. In diesem Jahr sollen wir einen riesigen Investitionstopf beschließen – ich kann nicht glauben, dass wir das alles schaffen können.

In unseren Augen wäre es nicht zuletzt gute demokratische Praxis, dass wir nur die Maßnahmen im Rat beschließen, die wir dann auch wirklich umsetzen können.

Ein grüner Haushalt würde dem Sozialen mehr Raum geben. Sportstätten würden wir nicht ohne Gesamtplanung und mit einer so starken Festlegung auf eine Sportart bauen. Auch wenn im Haushalt viele Dinge stehen, die wir sehr begrüßen, lehnen wir ihn deshalb ab.

Wichtiger als diese Einzelpunkte erscheint uns, dass wir beginnen, beim Klimaschutz gemeinsam nach den unzähligen Möglichkeiten zu suchen, die uns wirklich voranbringen können. Dass wir uns gegenseitig an-stecken in der Veränderung unseres Energiever-brauches, unserer Mobilität, unseres Konsums, unserer Anstrengungen für alles, was CO2 bindet oder abbaut. Dass Salzkotten im Jahr 2019 zur Klimaaktionsstadt wird.

Vielen Dank an Herrn Berger, an die Verwaltung, an die Presse und dort, wo eine Zusammenarbeit möglich war, an die anderen Fraktionen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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